Türkei – was jetzt?
Mit Altoberbürgermeister Christian Ude konnte die Moosacher SPD einen spannenden Referenten für ihre Versammlung im Mai gewinnen. Dieser besondere Gast und sein Thema, die aktuellen Entwicklungen in der Türkei, lockte nicht nur die Mitglieder sondern viele andere Interessierte in den bis zum letzten Platz gefüllten Saal in den Alten Wirt.
Warum er zu genau diesem Thema? Ude gab eingangs die Antwort selbst: Er ist seit vielen Jahrzehnten von der Türkei fasziniert, unterhält vielerlei Bindungen in das Land um den Bosporus und ist Ehrenbürger der Stadt Pülümür. „Ich habe den Eindruck, dass sich die Politik dieser Tage nicht ausreichend mit der Entwicklung dort befasst. Deshalb ist es mir ein Anliegen geworden, meine Haltung zu äußern.“ so der frühere Rathauschef.
Zuerst räumte Ude mit Zahlen auf: In Deutschland leben etwa drei Millionen Türken – bei einer Bevölkerung von 80 Millionen. Das ist nichts gegen die fünf Millionen Deutschen, die allein im Jahr 2015 Urlaube in der Türkei buchten.
Die aktuelle Situation im Land mag vielen Unbehagen bereiten. Christian Ude warb aber für den Blick auf das große Ganze. So hat die Türkei seit ihrer modernen Gründung stets die Trennung von Staat und Religion hochgehalten. Die markanten Symbole des Islam wurden schon 1923 aus dem öffentlichen Leben verbannt. Das geltende türkische Recht wurde inspiriert von den Rechtsordnungen zentraleuropäischer Länder. Und auch den Umgang mit dem jüngsten Putschversuch hält er für unlauter. Als die kemalistischen Eliten den Coup unternahmen, gab es einen Aufschrei – heute klammheimliches Wohlwollen für jene, die der Republik den Garaus machen wollen.
Das bedeutet für ihn nicht, man müsse Sympathie mit der gegenwärtigen Regierung und ihrem Präsidenten haben. Aber vom hohen Ross, von den pauschalen Urteilen müsse man weg kommen.
Denn für Ude sind es die Menschen in der Türkei, die in diesen Tagen Aufmerksamkeit verdienen. Opposition finden – unter zweifellos schwierigen Bedingungen – statt. Und seien es die Hinterhofproduktionen in den Garagensendern Istanbuls. Sie werden, so Ude, in der Türkei wahrgenommen, jedoch nicht hierzulande.
Der Altoberbürgermeister besprach ein schwieriges und kontroverses Thema. „Ich hoffe, der Aufruf zu einer differenzierten Betrachtung ist angekommen.“ sagte er zum Abschluss. Erdogan wird eine Episode sein, auch eine eindrucksvolle. Abschreiben dürfe man das Land, das doch so viele Bindungen zu Europa und Deutschland hat, aber nicht.